4-Tage-Woche: Hier gibt es sie bei uns schon

Zwei Handwerksbetriebe in Gladbeck und Bottrop haben die 4-Tage-Woche schon - und sind begeistert. Warum das Modell trotzdem nicht für alle Unternehmen bei uns eine Option ist.

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Beispiel: Lakenbrink in Bottrop

Luis Hemmers, Markus Lakenbrink und Omar Hussein von der Firma Lakenbrink und Sohn aus Bottrop© Radio Emscher Lippe
Luis Hemmers, Markus Lakenbrink und Omar Hussein von der Firma Lakenbrink und Sohn aus Bottrop
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Beim Heizungs- und Sanitärunternehmen Lakenbrink im Bottroper Eigen wird die 4-Tage-Woche seit ca. einem Jahr getestet. Die Arbeitszeit wird auf die Tage Montag bis Donnerstag verteilt - der Freitag ist in der Regel frei. Mitinitiator der Idee war Anlagenmechaniker-Meister Luis Hemmers. Die ersten Reaktionen von den Kollegen seien überwiegend positiv gewesen - mittlerweile seien alle auf die 4-Tage-Woche umgestiegen.

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Auch Chef Markus Lakenbrink ist zufrieden. Die Mitarbeiter hätten mehr Freizeit, gleichzeitig würden sich keine Kunden beschweren, wenn freitags keine Heizung mehr eingebaut werden könne. Generell sei die Produktivität höher, man bekomme am Tag mehr geschafft. Es gebe aber immer noch einen Notdienst, auch freitags und am Wochenende.

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Aber ist die 4-Tage-Woche tatsächlich auch ein Mittel gegen den Fachkräftemangel? Azubis zu finden, sei immer schwierig, so Chef Markus Lakenbrink. Daran habe auch die Einführung des freien Freitags bei ihm in der Firma nichts geändert. Allerdings hofft er, dass das in Zukunft anders aussieht, wenn sich der zusätzliche freie Tag erst einmal herumgesprochen habe. Azubi Omar Hussein zum Beispiel findet die 4-Tage-Woche ebenfalls gut. Man starte dann besser und motivierter in den Montag. Allerdings kommen Azubis grundsätzlich eher selten in den Genuss des langen Wochenendes - wegen der Berufsschule. Trotzdem ist die 4-Tage-Woche ein Anreiz für die Zeit nach der Ausbildung: Omar Hussein freut sich auf das Ausschlafen - er habe dann unter der Woche Zeit, um zum Beispiel amtliche Termine zu erledigen.

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Umfrage: 4-Tage-Woche - wäre das auch was für euch?

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Beispiel: Elektro Kramwinkel in Gladbeck

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Auch bei Elektro Kramwinkel in Gladbeck ist die 4-Tage-Woche seit etwa einem Jahr Standard. Am Anfang seien einige skeptisch gewesen, mittlerweile aber alle "hellauf begeistert", erzählt Prokurist Maik Frank. Er hebt außerdem den positiven Umweltaspekt hervor: 25 Autos müssten jetzt freitags nicht mehr rausfahren. Das mache einen Unterschied. Zuvor seien die Kollegen am Freitag oft nur vier Stunden effektiv auf der Baustelle gewesen. Jetzt lohnten sich die Fahrten zur Baustelle mehr, weil effektiv mehr Zeit vor Ort bleibe.

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Auch er sei nicht überrannt worden von neuen potenziellen Azubis. Ein paar mehr Bewerbungen als sonst habe es aber schon gegeben, erzählt Maik Frank. Er selbst nutze den freien Freitag, um Sport zu machen oder sich zu erholen.

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Umfrage: Was würdet ihr mit dem zusätzlichen freien Tag anfangen?

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Warum ziehen kaum Unternehmen in Gladbeck, Bottrop und Gelsenkirchen nach?

Bisher ist in den meisten Betrieben bei uns noch die normale 5-Tage-Woche Standard. Ein Sprecher der IG BAU (Bauen-Agrar-Umwelt) hat uns gesagt, er kenne bei uns kein einziges Unternehmen, das dauerhaft eine 4-Tage-Woche habe. Man könne sich das zwar grundsätzlich vorstellen, aber der Sprecher gibt auch zu bedenken, dass Bauarbeiter oft weite Anfahrtswege zur Baustelle hätten - im Durchschnitt knapp eine Stunde. Werde dann noch die Arbeitszeit pro Tag verlängert, könnten gesetzliche Ruhezeiten möglicherweise nicht mehr eingehalten werden.

Die IG Metall in Gelsenkirchen hat kürzlich eine (noch unveröffentlichte) Mitgliederbefragung gemacht - dabei sei die 4-Tage-Woche auf großes Interesse gestoßen. Man könnte damit viele Fachkräfte gewinnen - andernfalls würde es immer schwieriger werden, neue Mitarbeiter zu finden.

Die IHK Nord Westfalen hingegen ist skeptischer: Flächendeckend funktioniere das mit der 4-Tage-Woche nicht, sagt uns ein Sprecher. Zum einen gebe es in vielen Berufen Zeiten, die zwingend abgedeckt werden müssten, zum Beispiel in der Pflege und anderen sozialen Berufen. Ab einer gewissen Arbeitszeit pro Tag sinke außerdem die Konzentration und die Belastung werde zu hoch. Außerdem befürchtet der IHK-Sprecher eine Benachteiligung von Unternehmen, die keine 4-Tage-Woche anbieten können. Diese Betriebe hätten es dann noch viel schwerer als ohnehin schon, Nachwuchs zu finden.

So ist der Ausbildungsmarkt bei uns aktuell

Wir haben bei den Arbeitsagenturen für Gladbeck, Bottrop und Gelsenkirchen nachgefragt - denn heute, am 1. August, ist offiziell Ausbildungsstart bei uns. Viele Azubi-Stellen werden allerdings frei bleiben. Zum letzten Stichtag Ende Juni waren bei uns insgesamt noch 980 Lehrstellen unbesetzt. Gleichzeitig suchten 1.049 junge Menschen noch einen Ausbildungsplatz. Insgesamt gibt es bei uns mehr potenzielle Azubis als Stellen. Allerdings sind längst nicht alle Berufe gleich beliebt. Vor allem Verkäufer und Kaufleute für Einzelhandel und Immobilien, aber auch Elektrotechniker und Medizinische Fachangestellte werden gesucht.

Doch kann eine 4-Tage-Woche tatsächlich helfen, diese Jobs wieder attraktiver für Azubis zu machen? Langfristig möglicherweise schon. Denn während der Ausbildung haben die meisten Azubis weiterhin eine 5-Tage-Woche - wegen der Berufsschule. Allerdings könnte die 4-Tage-Woche Ansporn für die Zeit nach der Ausbildung sein.

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