Bundesgericht: «Compact»-Magazin darf weiter erscheinen

Bundesgericht urteilt über „Compact“ Verbot
© Elisa Schu/dpa

Extremismus

Berlin/Leipzig (dpa) - Juristischer Erfolg für das rechtsextreme Magazin «Compact»: Die Zeitschrift darf nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts weiter erscheinen. Die Richter in Leipzig hoben ein Verbot des Bundesinnenministeriums aus dem Sommer 2024 auf. Begründung: Es gebe zwar verfassungswidrige Aktivitäten, doch seien diese nicht «prägend». Chefredakteur Jürgen Elsässer feierte seinen Erfolg und sieht darin auch Rückenwind für die AfD.

Wie das Gericht seine Entscheidung begründet

Das Grundgesetz garantiere selbst den «Feinden der Freiheit» die Meinungs- und Pressefreiheit, sagte der Vorsitzende Richter Ingo Kraft. Zwar gebe es zahlreiche polemische und zugespitzte Äußerungen. Die Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit sei jedoch nicht überschritten, so das Gericht. 

Ein Vereinsverbot sei mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit nur gerechtfertigt, wenn die verfassungswidrigen Aktivitäten für die Vereinigung prägend seien, so die Richter. Insgesamt der Gesamtwürdigung hätten die verbotsrelevanten Äußerungen und Aktivitäten des Medienunternehmens aber diese Schwelle nicht erreicht.

Worum es geht

Das Bundesinnenministerium hatte das Magazin im Juni verboten und dieses am 16. Juli 2024 vollzogen. Es bezeichnete das Blatt als «zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene». Damit war eine sofortige Einstellung des gesamten Print- und Onlineangebots von «Compact» verbunden. 

Das Magazin konnte jedoch weiter erscheinen, nachdem die Bundesrichter das Verbot im Eilverfahren vorläufig ausgesetzt hatten. Nun bestätigte der zuständige 6. Senat seine damalige Entscheidung im Hauptsacheverfahren. 

Die Leipziger Richterinnen und Richter sind in erster und letzter Instanz für Klagen gegen Vereinsverbote zuständig. Der Gang zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ist dem Bundesinnenministerium nicht möglich, wie ein Sprecher des Bundesverwaltungsgerichts sagte. 

Rechtlich handelt es sich bei dem Schritt um ein Vereinsverbot. Gegen die Anwendung des Vereinsrechts hatte das Bundesverwaltungsgericht keine Einwände: «Denn bei der Klägerin, die uneingeschränkt den Schutz der grundrechtlichen Medienfreiheiten genießt, handelt es sich nicht nur um ein Presse- und Medienunternehmen. Vielmehr verfolgt der maßgebliche Personenzusammenschluss nach seinem eigenen Selbstverständnis eine politische Agenda, organisiert Veranstaltungen sowie Kampagnen und versteht sich als Teil einer Bewegung, für die er auf eine Machtperspektive hinarbeitet», so die Richter. 

Die Vereinigung erfülle jedoch nicht sämtliche Voraussetzungen des eng auszulegenden Verbotsgrunds des «Sichrichtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung». 

Das Bundesinnenministerium sieht sich in diesem Punkt bestätigt. «Vereinsverbote bleiben ein anwendbares und mögliches Mittel gegen extremistische Bestrebungen», sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). Sein Haus werde das Urteil nun sorgfältig auswerten.

Wie das «Compact»-Team reagiert

«Compact»-Chefredakteur Jürgen Elsässer bewertete die Entscheidung als doppelten Erfolg. «Auch die AfD wird davon profitieren», sagte er. Wenn es unmöglich sei, «Compact» zu verbieten, sei es auch unmöglich, die AfD zu verbieten. Sein Magazin sei «das Sturmgeschütz der Demokratie». «Wir sind die stärkste Stimme der Opposition. Und Sie werden noch mehr von uns hören.» 

Am Mittwoch will Elsässer auf Einladung der AfD im Potsdamer Landtag ausführlicher über die Verhandlung reden. Er prüft nach eigenen Angaben, ob er auf Schadenersatz klagen wird wegen der Folgen, die durch das Verbot und damit verbundene Beschlagnahmungen entstanden sind. Es gehe nach ersten Schätzungen um eine Summe im «sechsstelligen Bereich». 

Welche Rolle Sellners «Remigrationskonzept» spielt

Eine besondere Bedeutung kam bei der Bewertung des Falls dem Verhältnis der «Compact»-Macher zu dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner zu. «Compact» habe sich mit dem sogenannten Remigrationskonzept Sellners identifiziert, betonte Richter Kraft. Seit Jahren werde dessen Ansichten «ohne jegliche Distanzierung» ein breiter Raum eingeräumt. Relativierende und verharmlosende Äußerungen dazu von Chefredakteur Elsässer während der mündlichen Verhandlung bewertete das Gericht als «bloßes prozesstaktisches, nicht glaubhaftes Vorbringen». 

Wie das Gericht das Konzept zur sogenannten Remigration bewertet hat, dürfte auch das Bundesamt für Verfassungsschutz interessieren. Denn dieses Konzepts spielt auch in ihrem Rechtsstreit mit der AfD eine Rolle.

Wie Journalistenverbände die Entscheidung bewerten

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sieht in der Aufhebung des «Compact»-Verbots eine Bekräftigung des hohen Stellenwerts der Meinungs- und Pressefreiheit. Damit sei klar, dass dieses Grundrecht nicht mit Verfahrenstricks ausgehebelt werden dürfe, betonte der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster. Die Gerichtsentscheidung dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass «"Compact" in vielen Artikeln rechtsextreme und menschenfeindliche Inhalte verbreitet, die mit den journalistischen Standards nichts am Hut haben». Dagegen vorzugehen sei richtig und wichtig. «Das Verbot eines ganzen Magazins muss dennoch das letzte Mittel bleiben.»

Die Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (RSF), Anja Osterhaus, sagte: «In einer Demokratie müssen die verbrieften Grundrechte berücksichtigt werden – auch, wenn es angesichts extremistischer und rassistischer Inhalte eines Mediums schwerfällt, das zu akzeptieren.» RSF beobachte weltweit, dass solche Eingriffe der Demokratie großen Schaden zufügen könnten.

Was «Compact» ist

Laut Ministerium ist die «Compact»-Magazin GmbH seit längerem im Fokus des Verfassungsschutzes und wurde Ende 2021 als gesichert rechtsextremistische Vereinigung eingestuft und beobachtet.

Das 2010 gegründete Medienunternehmen hatte seinen Sitz früher im brandenburgischen Falkensee, inzwischen sitzt es in Stößen in Sachsen-Anhalt. Die Auflage des «Compact»-Magazins liegt nach Gerichtsangaben bei 40.000 Exemplaren, der Online-TV-Kanal erreicht bis zu 460.000 Klicks.

Chefredakteur Elsässer stellte sich vor Gericht als alleiniger Entscheider dar. Die «Compact»-GmbH könne nicht als Verein bezeichnet werden, so der 68-Jährige. Er gab an, in dem Verlagshaus hätten etwa 30 Mitarbeiter nahezu rund um die Uhr gearbeitet. Dabei seien sie mit der Erstellung und Verbreitung der redaktionellen Arbeit voll ausgelastet gewesen. Statt Werbung zu schalten, habe man Pressefeste veranstaltet und die eigene «Rolle überhöht, als ob wir Teil einer Bewegung wären».

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Bundesgericht hebt Verbot für «Compact»-Magazin auf© Jan Woitas/dpa
Bundesgericht hebt Verbot für «Compact»-Magazin auf
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Der Chefredakteur des «Compact»-Magazins nach dem Urteil© Hendrik Schmidt/dpa
Der Chefredakteur des «Compact»-Magazins nach dem Urteil
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