Exklusive Einblicke in unsere Unterwelten
Veröffentlicht: Freitag, 08.03.2024 07:27
Was passiert in Gladbeck, Bottrop und Gelsenkirchen unter der Erde? Reporter Leon Pollok war im Bottroper Atomschutzbunker, im Abwasserkanal der Stadt Gladbeck, an der Kläranlage in Bottrop und im U-Bahn-Tunnel in Gelsenkirchen unterwegs. Exklusive Eindrücke, Fotos und Geschichten aus unseren Unterwelten.
10 Meter unter der Erde - der einzige Atomschutzbunker in Bottrop
Kein Handyempfang, kein Tageslicht, nur das leise Summen der Leuchtstoffröhren und das mechanische Surren der Hydraulik-Türen ist zu hören. Hier, mitten in Bottrop, tief unter der Erde, ist die Zeit stehengeblieben. Errichtet wurde der einzige noch intakte Atomschutzbunker in den 60er Jahren, als die Angst vor einem Atomkrieg groß war. Zuständig hier unten ist "Bunkerwart" Markus Urbaneck von der Feuerwehr Bottrop.
1.250 Menschen hätten hier unten im schlimmsten Fall ausharren können - theoretisch. "Der Platzbedarf wäre nicht gerade ausreichend gewesen, um hier noch ne Polonaise zu machen", sagt Bunkerwart Markus. Er selbst würde es hier unten im Notfall nicht aushalten, hat er uns verraten. "Dann nehme ich mir die Flasche Bier, setze mich in den Garten und warte, bis der Blitz kommt. Dann habe ich wenigstens noch Spaß gehabt bis zum Schluss."
Ansonsten hat sich im Bottroper Atomschutzbunker seit den 60ern nicht viel verändert. Lebensmittel, alte Kaffeetassen, Toilettenpapier, Seife, Kerzen und jede Menge Gerümpel finden sich hier unten.
Auch wenn einige Feldbetten zu Demonstrationszwecken aufgestellt sind: Einfach so leben kann man im Bunker nicht - selbst im Notfall nicht, sagt Bunkerwart Markus. Vieles funktioniere nicht - und auch Lebensmittel müssten erstmal besorgt werden. Auf einem Schreibtisch liegt eine genaue "Einkaufsliste" für die maximal 1.250 Menschen, die hier unten im Notfall einen Monat lang ausharren sollten: 11 Tonnen Brot, 2,8 Tonnen Margarine, 7,5 Tonnen Wurst, 750 Kondensmilch - und: 1,8 Tonnen Schokolade.
Arbeiten im Abwasserkanal Gladbeck - 10 Meter unter der Erde
Unterwegs in der Kanalisation in Gladbeck. 10 Meter unter der Erde. Es stinkt klassisch nach Kanalisation - die größte Herausforderung wartet aber direkt am Anfang: das Herunterklettern in den Kanal. Auf schmalen Stahltrittstufen geht es in spezieller Schutzkleidung und gesichert mit Karabinerhaken Schritt für Schritt in die Dunkelheit. Mit dabei ist jede Menge Technik - auch ein Gerät, dass Alarm schlägt, wenn die Luft unten zu giftig wird. "Generell ist dort nicht immer eine freundliche Atmosphäre für uns" sagt Frank Restemeyer, Leiter des zuständigen Ingenieuramts bei der Stadt Gladbeck.
Durch den Kanal kann man sich größtenteils nur gebückt bewegen. Der Gestank ist unangenehm, aber viel schlimmer ist das glitschige Gefühl am Boden und der Druck des Abwassers, das an den Gummistiefeln zerrt. Für Menschen mit Klaustrophobie ist dieser Ort definitiv nicht zu empfehlen. Ratten gibt es auch - aber die verstecken sich, wenn Menschen Krach machen, erzählt Frank von der Stadt Gladbeck. Die Abwasserkanäle müssen regelmäßig gewartet werden, ansonsten würden sie irgendwann komplett verstopfen. 240 Kilometer Abwasserleitungen gibt es in Gladbeck.
Kurioses finden die Kanalarbeiter hier regelmäßig, erzählt Frank: "Wir haben schonmal ein Fahrrad gefunden. Die machen die Deckel auf und schmeißen die hier rein." Auch viele Warnbarken von Baustellen finde man regelmäßig. Ganz wichtig: Essensreste gehören nicht ins Abwasser. Sie würden im Kanal nur noch mehr Ratten anlocken. Und auch Feuchttücher haben in der Kanalisation nichts zu suchen, sie setzen sich am Boden fest und können im schlimmsten Fall die Leitungen verstopfen, weil sich Feuchttücher - anders als normales Toilettenpapier - nicht so einfach auflöst.
Aus Sch***e Energie machen: Die Kläranlage in Bottrop
Durch die Abwasserkanäle gelangt das schmutzige Wasser weiter in die Kläranlage der Emschergenossenschaft in Bottrop-Welheim. 8.500 Liter Wasser werden hier gereinigt und wieder in die Emscher geleitet - pro Sekunde. Der gröbste Dreck wird schon direkt am Anfang herausgefischt - und da ist oft Kurioses dabei, weiß Ilias Abawi von der Emschergenossenschaft. "Da ist das Gebiss von Opa dabei, Tampons, Einkaufswagen, Autoreifen - also schon unfassbar."
Einmal habe er einen ungewöhnlichen Anruf bekommen: "Da wollte einmal wissen, ob wir die menschliche DNA auch dann nachweisen können, wenn die Leiche vorher in Säure aufgelöst wurde." Seine Kontaktdaten wollte der unbekannte Anrufer nicht herausgeben, habe kurz gelacht und dann aufgelegt.
Das Besondere an der Kläranlage in Bottrop: Sie versorgt sich fast vollständig selbst mit der nötigen Energie. Und die kommt aus dem, was wir alle jeden Tag die Toilette herunterspülen. Klärschlamm wird beispielsweise verbrannt und liefert Wärmeenergie. Strom wird aus Klärgasen und mit einem Windrad erzeugt. Damit ist die Bottroper Kläranlage die erste energieautarke Großkläranlage Deutschlands, sagt Ilias Abawi von der Emschergenossenschaft.
Ein Herzstück der Kläranlage: die vier Faulbehälter, die ihr auch von der B224 und der A42 sehen könnt. Jeder Behälter ist 50 Meter hoch, 15 Millionen Liter Klärschlamm passen jeweils rein. Dort wird der Schlamm "ausgefault", die entstehenden Gase werden verstromt. Am Ende wird der getrocknete Schlamm bei knapp 900 Grad verbrannt. Wichtig: Das fertig geklärte Wasser ist kein Trinkwasser. Es wird stattdessen wieder in die Emscher geleitet.
So wartet die Bogestra einen U-Bahn-Tunnel in Gelsenkirchen
Es ist abends, 22 Uhr: Einsatz für die Gleisbauer der Bogestra. Über 200 Kilometer Gleise gibt es - und unzählige Weichen. Damit die richtig funktionieren, müssen sie regelmäßig gewartet und repariert werden. Das passiert meistens nachts, wenn weniger Bahnen unterwegs sind. "Wenn nicht alles funktioniert, kann der Wagen entgleisen" sagt Gerd Heinzen, der seit über 20 Jahren dabei ist. Der Job ist hart: Ständiges Knien, oft Nachtarbeit, wenig Tageslicht.
Heute nehmen sich die Gleisbauer den meistbefahrenen Tunnel in Gelsenkirchen vor: zwischen dem Hauptbahnhof und der Rheinelbestraße fahren sowohl Bahnen der Linie 301 als auch der 302 im Minutentakt vorbei. An Schalke-Heimspieltagen reiht sich in diesem Trakt Zug an Zug. Die Arbeit der Weichen-Kontrolleure der Bogestra ist nicht unbedingt laut - eher filigran. Die Arbeiter schaben und schleifen zum Beispiel Ablagerungen ab, kontrollieren Abstände und reparieren - wenn nötig - direkt vor Ort.
Lob von den Fahrgästen gebe es nur selten, sagt Gleisbauer Gerd Heinzen. "Meistens ist das nicht so Fall", sagt er. Freuen würde er sich aber auf jeden Fall. Denn: Ohne die Weichen-Kontrolleure der Bogestra würde irgendwann keine Straßenbahn in Gelsenkirchen mehr fahren können.