Breite Front gegen Praxisgebühr

Diskussion um Praxisgebühr
© Daniel Vogl/dpa

Arzt-Patienten-Kontakte

Berlin (dpa) - Hausärzte, Patientenschützer und Gewerkschafter stellen sich gegen den Arbeitgebervorschlag einer Kontaktgebühr für Patienten in deutschen Arztpraxen. «Dieser Vorschlag der Arbeitgeber ist nicht nur unsozial, sondern auch komplett undurchdacht», sagte die Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands, Nicola Buhlinger-Göpfarth, der «Rheinischen Post». 

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz wandte sich gegen eine Neuauflage einer Praxisgebühr. Stiftungsvorstand Eugen Brysch sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wie das Sommerloch steigt auch die Praxisgebühr jedes Jahr aus der Versenkung.» Dabei sei sie nach vielen Jahren der Erprobung 2012 abgeschafft worden. «Schließlich blieb die Steuerungswirkung der Patienten aus.» 

Auch die Arztpraxen seien wegen des Verwaltungsaufwandes Sturm gelaufen. «Zudem gab es Patienten, die viel zu spät eine ärztliche Konsultation aufsuchten», sagte Brysch. Von 2004 bis 2012 wurden beim ersten Arztbesuch im Quartal zehn Euro fällig. 

Zu viele Arzt-Patienten-Kontakte

Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, hatte sich angesichts steigender Zusatzbeiträge bei den Krankenkassen für eine Kontaktgebühr bei jedem Arztbesuch ausgesprochen. Im «Berlin Playbook»-Podcast von «Politico» sagte er, eine solche Gebühr könne eine stärkere Patientensteuerung herbeiführen und «Ärzte-Hopping» begrenzen. 

Buhlinger-Göpfarth räumte ein, dass nicht alle Arzt-Patienten-Kontakte notwendig seien. Die Antwort seien aber keine allgemeinen Kontaktgebühren. Die Chefin des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes argumentierte, chronisch Kranke müssten die Gebühr dann Dutzende Male im Jahr bezahlen. «Das würde insbesondere sozial Schwache finanziell komplett überfordern», warnte sie. 

Auch würde eine solche Gebühr zwingend notwendige Arztbesuche verhindern mit schweren gesundheitliche Folgen für die Patientinnen und Patienten, weil etwa Erkrankungen zu spät behandelt würden oder eine Vorsorgemaßnahme nicht stattfinde.

Ruf nach mehr Patientensteuerung

Nötig sei vielmehr eine bessere Patientensteuerung. Dafür brauche es ein hausärztliches Primärarztsystem. Dabei ist die Hausarztpraxis immer die erste Anlaufstelle, die bei Bedarf weitere Fachärztinnen und Fachärzte hinzuzieht.

Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sieht in Kontaktgebühren keinen Beitrag zur besseren Steuerung von Patientinnen und Patienten. «Sie würden die soziale Schieflage in der medizinischen Versorgung weiter verschärfen», sagte Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler zu ZDFheute. Stattdessen brauche es ein starkes Primärarztsystem und tragfähige Konzepte für die Versorgung in ländlichen Regionen.

Wagenknecht: Praxisgebühr 2.0 verhindern

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht nannte den Arbeitgeber-Vorschlag «einen Affront». Sie ergänzte: «Aber bei der Regierung Merz könnte er auf offene Ohren treffen.» Es sei zu befürchten, dass die Bundesregierung die Praxisgebühr wiederbelebe, «da sie sich für das Wettrüsten historisch verschuldet». Eine Praxisgebühr 2.0 müsse verhindert werden.

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Steffen Kampeter
Arbeitgeber-Vertreter Steffen Kampeter schlägt die Einführung einer Praxisgebühr vor. (Archivbild)© Michael Kappeler/dpa
Arbeitgeber-Vertreter Steffen Kampeter schlägt die Einführung einer Praxisgebühr vor. (Archivbild)
© Michael Kappeler/dpa

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